Vor einiger Zeit sind mir zwei alte vergilbte Fotos untergekommen. Sie zeigen meinen Großvater am Gipfel des Sarsteins. Die Aufnahmen dürften etwa ein halbes Jahrhundert alt sein. Beim Betrachten der Fotos kam mir die Idee, die Szene nachzustellen. Das Fernglas, ein “Swarovski Habicht”, musste natürlich auch mit.
Ich beginne meine Wanderung in die Vergangenheit beim Bahnhof Steeg/Gosau, wo damals auch mein Großvater weggegangen sein dürfte. Vorerst gehe ich südlich am Ari-Kogel vorbei nach Untersee. Erst jetzt steigt die Straße etwas an. In der Ortschaft Sarstein treffe ich dann auf die alte Pötschenpassstraße, die gleich sehr steil und kurvenreich zwischen schönen Häusern ansteigt. Heute unvorstellbar, dass sich damals der gesamte Verkehr auf dieser kurvigen Schotterstraße abgespielt hat.
Nach einer Stunde stehe ich vor der neuen, mehrspurigen Straße. Das Überqueren ist eine Herausforderung, die dort gefahrenen Geschwindigkeiten sind für einen Fußgänger schwer abzuschätzen. Erleichtert erreiche ich die andere Straßenseite und treffe dort auf einen schönen Waldweg, der mich den Lärm der Autos bald vergessen lässt.
Erste Rast bei der Simonyaussicht. Ein wunderbarer Platz. Viel zu schade um weiterzugehen, aber ich will ja heute noch auf den Gipfel. Der nun folgende Abschnitt bis zur Sarsteinalm lässt sich kurz zusammenfassen: unzählige Kehren, wenig Aussicht, monoton, fast schon meditativ. Dann endlich die Alm. Bei der dortigen Quelle fülle ich noch rasch meine beiden Wasserflaschen. Kurz darauf stehe bzw. sitze ich vor der Hütte.
Die Frittatensuppe schmeckt vorzüglich, der anschließende Kaiserschmarrn ebenfalls. Ich komme mit der Hüttenwirtin ins Gespräch, zeige ihr das alte Gipfelfoto. Sie meint, die Person neben meinem Großvater zu erkennen. Ich werde neugierig, frage nach. Ein halbes Jahrhundert sind vergangen, Erinnerungen verblasst. Sie schreibt mir den Namen und eine Adresse in Bad Goisern auf, wo die alten Gipfelbücher vom Sarstein aufgehoben sind. Die Geschichte fesselt mich immer mehr.
Bis zum Gipfel ist es jetzt nicht mehr weit, etwa eine dreiviertel Stunde dauert der aussichtsreiche Anstieg. Mit den Fotos in der Hand versuche ich die damalige Position zu finden, was anfänglich nicht gelingt. Der Berg hat sich mehr verändert als angenommen. Auf einmal fällt mir auf, dass das Gipfelkreuz um 90° gedreht wurde (vermutlich anlässlich der Renovierung 1970). Nun kann ich die Fotos ganz gut nachstellen, natürlich mit dem alten “Habicht” um den Hals.
Zufrieden kann ich nun meinen Weg nach Obertraun fortsetzen, wo ich nach drei Stunden ankomme. Weiter mit dem Zug entlang des Hallstättersees, in der Dämmerung ein besonderes Erlebnis.
Bilder